20 Jahre „Durch den Monsun“ – Tokio Hotel feiern Jubiläum
Im Juli 2005 widmet das Jugendmagazin Bravo einer unbekannten Band aus Magdeburg eine komplette Doppelseite. Vier Teenager, noch in der Schule, im Mittelpunkt: ein 15-Jähriger mit schwarzer Emo-Frisur namens Bill Kaulitz. Der Bandname Tokio Hotel sagt damals noch kaum jemandem etwas – die erste Single „Durch den Monsun“ soll erst am 15. August erscheinen. Niemand ahnt, dass dieser Song in wenigen Wochen nicht nur die Charts stürmen, sondern eine ganze Generation prägen wird.
„Durch den Monsun“ wird zur Pop-Sensation
Musikjournalist Alex Gernandt, damals stellvertretender Bravo-Chefredakteur, erinnert sich noch gut an das erste Treffen mit Sänger Bill, Zwillingsbruder und Gitarrist Tom, Bassist Georg und Schlagzeuger Gustav in einem Münchner Studio: „Die waren erst 14 oder 15, aber schon perfekt aufeinander eingespielt. Und Bill hatte diesen Look, dieses Star-Potenzial.“ Gernandt setzt sich in der Redaktion dafür ein, den Newcomern schon vor Veröffentlichung der Single eine große Bühne zu geben – ein unübliches Risiko, das sich lohnen sollte.
Kurz nach Erscheinen ist „Durch den Monsun“ nicht mehr aus dem Radio wegzudenken. Die Single bleibt fünf Wochen auf Platz eins, wird in Österreich, Frankreich, der Schweiz, Teilen Belgiens und der Niederlande zum Top-10-Hit. Das Debütalbum Schrei verkauft sich rund 1,5 Millionen Mal.
Der Erfolg hat auch viel mit Musikmanager Peter Hoffmann zu tun. Er entdeckt Bill Kaulitz 2003 in der Castingshow Star Search und reist nach Magdeburg, um den Rest der damaligen Band „Devilish“ kennenzulernen. Für Hoffmann ist sofort klar: „Von der ersten Sekunde an wusste ich, dass sie durch die Decke gehen.“ Zusammen entsteht 2005 in seinem Studio der Song, der alles verändert – inspiriert von der Vorstellung, dass vieles im Leben endlich ist und man sich durch die Naturgewalten kämpfen muss.
Der Sound trifft den Nerv der Zeit: Emo-Look, rockige Gitarren und deutscher Pop-Rock, der gerade mit Bands wie Silbermond, Revolverheld oder Juli einen Boom erlebt.
Plötzlich Superstar – und die Flucht nach Hollywood
Nach dem „Monsun“ fegt ein regelrechter Orkan über die Band hinweg. Tokio Hotel sind auf allen TV-Plattformen präsent, spielen in ganz Europa, können keinen Schritt mehr ohne Leibwächter machen. Für die damals minderjährigen Kaulitz-Zwillinge wird der Hype irgendwann zu viel – sie ziehen nach Hollywood, wo sie bis heute leben. „Auf so etwas kannst du nicht vorbereitet sein, wenn du so jung bist“, sagt Gernandt rückblickend. „Tokio Hotel ist der letzte deutsche Act, den Bravo groß gemacht hat.“
Heute hat die Band sechs Studioalben veröffentlicht und immer noch eine internationale Fanbase – der ganz große Rummel hat sich gelegt. Bill und Tom Kaulitz sind mittlerweile auch als Entertainer-Marke bekannt: mit ihrem Podcast „Kaulitz Hills“, der Netflix-Doku „Kaulitz & Kaulitz“ und durch Toms Ehe mit Heidi Klum, die regelmäßig in der Klatschpresse landet.
„Durch den Monsun“ hat seine Strahlkraft nie verloren – seit 2007 gibt es den Hit auch auf Englisch. „Jeder kennt diesen Song. Er funktioniert immer – sogar am Ballermann grölen ihn die Leute aus voller Kehle“, sagt Bierkönig-DJ Domy Berger.
Zum 20-jährigen Jubiläum kehren Tokio Hotel am Freitag für ein großes Konzert in die Berliner Parkbühne Wuhlheide zurück. Den Hit, der alles ins Rollen brachte, spielen sie nach wie vor gern, wie Bill im Vorjahr sagte: „Ich bin froh, dass wir den Song haben.“
Österreichische Fans müssen sich noch etwas gedulden – ein Auftritt in der Wiener Stadthalle ist für den 15. November 2026 angekündigt.
Dieser Beitrag begleitet die Sendung „Ö3 Wecker - Feiertagsedition“, am 15. August 2025 (APA/NES)